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Eine Kolumne von Bastian Flimm

13. April 2022

 

Die Leibesübungen eines Bundesministers finden ihren Ursprung in den Tiefen des Meeres

 

Wenn Tintenfische sich bedroht fühlen, setzen sie ihren Tintenbeutel ein. Das Tintensekret wird ausgestoßen und bildet eine kleine Wolke, die an der Stelle schwebt, wo eben noch der davon schießende Tintenfisch war. Der Angreifer soll die Wolke mit dem Beutetier verwechseln und so wertvolle Zeit verlieren, die dem Tintenfisch zur erfolgreichen Flucht verhilft. Im Ernstfall verschwindet der Tintenfisch auch gerne in seinem Unterschlupf, den er aus den unterschiedlichsten Materialien auf dem Meeresgrund errichtet hat. Der Philosoph Peter Godfrey-Smith beobachtete einen Tintenfisch, der sich in seinem Häuschen versteckte und zur Ablenkung eine Muschel in den Eingang hielt. Eine weitere bemerkenswerte Eigenart der Tintenfische ist es, vor ihrem Unterschlupf Skulpturen aus Stein zu errichten, die aus mehreren aufeinander gestapelten Steinen bestehen. Es gibt keine rationale Erklärung für dieses Vorgehen. Der Philosoph vermutet, es handelt sich um eine eigenwillige, ästhetische Vorliebe.

In seinem Buch „Der Krake, das Meer und die tiefen Ursprünge des Bewusstseins“ beschreibt der Philosoph die meisterhafte Tarnung der Tintenfische. In weniger als einer Sekunde können sie Farbe und Beschaffenheit ihrer Haut verändern und für den Angreifer unsichtbar mit ihrer Umgebung verschmelzen. Offensichtlich hat das Farbspiel auch eine kommunikative Funktion, d.h. es werden Farbsignale an andere Tintenfische versendet. Allerdings konnte er beobachten, dass Signale öfter gesendet als empfangen werden. Die Menge des kreativen Ausdrucks übersteigt den Erkenntnisgewinn. Eine solcher Befund ließe sich auf die gegenwärtige Politik übertragen. Ein Meister des Vielredens ist der Gesundheitsminister Karl Lauterbach, der zuletzt ein paar Angriffe unglücklich verteidigte. Zunächst hatte der Gesundheits-minister die Pflicht zur Isolation bei einer Corona-Erkrankung ab 1. Mai aussetzen wollen. Nach reichlich Kritik vollzog er eine Kehrtwende bei Markus Lanz in der Talk-Show. In der gleichen Woche wurde im Bundestag über die Impfpflicht abgestimmt, aber es kam keine Mehrheit zustande, welches einen weiteren Rückschlag für den Minister bedeutet.

Der Fernsehproduzent Friedrich Küppersbusch bemerkte, dass viele Journalisten Lauterbach nun „runterschreiben“ werden, aber dass dies nicht unbedingt das Aus des Ministers bedeute. Karl Lauterbach habe, so Küppersbusch, „das Genre Lauterbach selber erfunden, ein Minister der Teil der Deko in vielen Talkshows ist“. So fällt es Küppersbusch schwer eine Prognose über die Zukunft des Ministers abzugeben. Es mag stimmen, dass Lauterbach, ähnlich wie der Tintenfisch, ein Übermaß an Botschaften in die Welt verströmt und kaum Verständnis erzeugt. Elegant aber kann der Minister, ganz in Tintenfisch-Tradition, sich im noch größeren Kuddelmuddel der wankenden Ampelkoalition verstecken. Außerdem findet er stets eine Muschel, die er zur Begründung seiner letzten Kehrtwende an die Tür hängen kann. Und Lauterbach, als Mediziner in diesen Dingen vorgebildet, weiß von den Vorteilen maximaler Beweglichkeit. Ausgerüstet mit acht Armen, die in alle Himmelsrichtungen zeigen, findet sich im Krisenfall immer ein Arm, der ihn mit schmatzenden Saugnäpfen in die nächste Hütte rettet.

Quellen:

Hr. Küppersbusch über Herrn Lauterbach und das Scheitern der Impfpflicht

https://www.deutschlandfunkkultur.de/impfpflicht-und-co-die-chaoswoche-der-bundesregierung-dlf-kultur-5aaff961-100.html