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B. Flimm

Das Streiflicht

Eine Kolumne von Bastian Flimm

Das Streiflicht 

Die Hummel ist ein überaus interessantes Tier dessen Medienpräsenz sich zu neuen Höhen aufschwingt. Selten denkt man darüber nach, ob Hummeln auch Honig sammeln; wann kauft man schon Hummelhonig? Aber in der Tat tun sie das, allerdings in geringen Mengen, denn sie legen ein Vorrat an, der nur eine Woche schlechtes Wetter überbrücken soll. Das hat damit zu tun, dass Hummeln nur einen Sommer lang leben und nicht bis ins nächste Frühjahr planen. Die Honigbiene hingegen muss den Winter überstehen, deshalb werden die hingestellten Waben fleißig bis zum Rand gefüllt. Dies allerdings zum Nachteil der Bienen, die vom Imker billiges Zuckerwasser als Ersatz gereicht bekommen. Was hätte wohl Aristaios, der griechische Gott der Imkerei, zur modernen Form des Imkerns gesagt?

Ob Aristaios ebenfalls bezweifelte, dass Hummeln fliegen können? Noch Anfang des letzten Jahrhunderts wurde in wissenschaftlichen Kreisen der Flug der Hummel als unmöglich betrachtet, da das Verhältnis zwischen Flügelfläche und Eigengewicht die Gesetze der Aerodynamik außer Kraft setze. Dieser Zweifel konnte erst in den 90’er Jahren endgültig beseitigt werden, als folgender Nachweis erbracht wurde: aufgrund der kreisförmigen Bewegung der Flügel, mit ca. 200 Flügelschlägen pro Sekunde, wird ein tornadoartiger Luftwirbel erzeugt der wiederum für Unterdruck sorgt und somit die Hummel zum Fliegen bringt. Aber wer nun der Meinung ist, dass dies schon der Gipfel der aus dem Boden sprießenden Hummelverehrung ist, der irrt gewaltig. Erst diese Woche fanden Wissenschaftler heraus, dass Hummeln sich ihrer eigenen Körpergröße besonders bewusst sind. Im Gegensatz zu anderen Fluginsekten, schauen Hummeln vorher, ob sie beispielsweise durch ein Loch passen. Es wurde beobachtet, dass Hummeln durch ein sehr schmales Rohr flogen, schmaler als ihr eigene Flügelspannweite, in dem sie nach sorgfältiger Prüfung der räumlichen Gegebenheiten seitwärts in die Öffnung schwebten.

Die Beherrschung einer Seitwärtsbewegung ist nicht jedem gegeben. Am Anfang eines langen Winters, in dem sich alle darin üben Abstand zu halten, kann die Hummel ein Leitstern für die dunklen Monate sein. Sorgfältig schiebt man sich durch die Einkaufsstraße, springt hummel-elegant zur Seite, sollte ein Fußgänger die Laufrichtung kreuzen. Welche eine Karriere die Hummel absolviert hat: vom Nichtflieger zum unbestrittenen Flugtalent. Unbeeindruckt davon brummt sie durch die Landschaft wie seit Jahrtausenden schon, wohlwissend, dass sie mit ihren Mini-Vorräten für umherschweifendes Räubervolk uninteressant ist. Sollte man sich die Hummel’sche Lebenskunst nicht zu eigen machen? Mit einem neuen Studiengang, der Elemente der Philosophie, Biologie und Verkehrswissenschaft verbindet, könnte man als Hummel-Magister die Stufen zum Olymp hinaufsteigen. Und was würde Aristaios den Akademikern ins Ohr flüstern? Höchst wahrscheinlich würde er sich bei Seneca bedienen, Apes debemus imitari, die Bienen müssen wir nachahmen. Aber das wäre nicht genug, auf der obersten Stufe des Olymps stehend, von seiner Botschaft vollends überzeugt, ruft er:  Bombus debemus imitari, die Hummeln müssen wir nachahmen.

29. November, Bastian Flimm