Kolumnen
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Eine Kolumne von Bastian Flimm
Angeregt durch Johannes Kepler wird man bald die Flugbahnen von Mücken eingehend studieren
23. August 2021
Im Jahr 1608 schrieb Johannes Kepler eine Erzählung namens „Somnium“. Sie handelt von einer Reise zum Mond. Eine Mutter klettert mit ihrem Kind über den isländischen Vulkan Hekla, der zu allem Unglück ausbricht und die Beiden auf den Mond schleudert. Kepler schrieb die Erzählung, um einen Wechsel der Perspektive zu erreichen. Er wollte, dass die Leser sich vorstellten auf dem Mond zu sein, von wo aus sie die sich bewegende Erde sehen könnten. So betrachtet würden sie glauben, dass der Mond das Zentrum des Universums sei und schließlich realisieren, dass sich alle Himmelskörper bewegen. Mit diesem Mittel wollte er das kopernikanische Weltbild bekannt machen. Nur ein Jahr später veröffentlichte Kepler sein berühmtes astronomisches Gesetz: die Laufbahn eines Planeten gleicht nicht einem Kreis, sondern einer Ellipse. Ungefähr 20 Jahre mühsame Kleinarbeit waren dieser Entdeckung vorausgegangen. Denn Kepler war einer der ersten, der sich streng an empirischen Daten hielt und somit die wissenschaftliche Arbeitsweise der Neuzeit mitbegründete.
Aber Kepler, vor 450 Jahren geboren, war ebenfalls in der Lage seiner Kreativität beim Schreiben einer Erzählung freien Lauf zu lassen. Er war der Auffassung, dass Erkenntnisse durch die Synthese der empirischen Beobachtung und den inneren, archetypischen Bildern zustande kamen. Ein glückliches Gefühl der Zufriedenheit würde einem auf dem Weg begleiten. In diesen Augustwochen werden die Meisten bloß von quälenden Mücken begleitet. Welch frisch gestochener Mückenernährer interessiert sich für einen Perspektivwechsel? Kepler könnte diesbezüglich eine Erzählung schreiben und die Sichtweise einer gemeinen Stechmücke heraus arbeiten. Denn Mücken sind wichtig für den Naturkreislauf, da sie Nahrung für Käfer, Libellen, Fische und Vögel bieten. Zudem verfügen sie über ausgezeichnetes Werkzeug. Ihr Stechrüssel besteht aus 6 unterschiedlichen Bestandteilen und inspirierte japanische Wissenschaftler eine Mini-Nadel zu entwickeln, die das Spritzen von Medikamenten schmerzfrei macht.
So könnte der am Abend weintrinkende, bildungsbürgerliche Kepler-Enthusiast sich bei einem Mückenstich auf die nächste schmerzlose Corona-Impfung freuen. Aber wer denkt schon so weit? Es braucht auch niemand in Sorge zu verfallen, dass Mücken den Corona-Virus übertragen, denn Wissenschaftler haben bereits bestätigt, dass dies nicht der Fall ist. Ganz im Gegenteil könnten Mücken eine Rolle im Endspurt der Impfkampagne spielen. Würde man nur all jene Mücken beobachten, die von einem Impfling zu einer nicht geimpften Person fliegen, könnte man herausfinden, ob sie den Impfstoff weiter tragen. Es wäre eine bahnbrechende Entdeckung, dessen Wirksamkeit in wenigen Monaten durch die Wissenschaft bestätigt werden könnte. Bis dahin ließe sich der Spätsommer auf der heimischen Terrasse bestens genießen. Und die Flugbahn einer jeden Mücke en détail studieren: fliegt sie eine Ellipse? Wer Glück hat, bekommt einen sanften Stich in den Oberarm, genau an die zu impfende Stelle. Da könnte man jauchzen: „Gestochen! Gestochen! Gestochen!“ Welches sich übrigens gut mit 3G abkürzen lässt.
In der Natur sind Modelle zur Erkenntnis zu betrachten und aus ihnen zu lernen.
Die ansonsten angegriffene Stechmücke überzeugt dabei. Dazu wird Johannes Keppler
einbezogen. Besonders überzeugt die Definition von Erkenntnis:als Synthese von persönlicher Betrachtung und
dem inneren archetypischen BIld, das aktiviert wird. Insgesamt ein Erkenntnisgewinn, diese Kolumne.
stoikus