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B. Flimm

Das Streiflicht

Eine Kolumne von Bastian Flimm

Das Streiflicht

30.12.2020

Papst Silvester I. dreht sich im Grab um. Seit gefühlten Äonen feiert man ein rauschendes Fest rund um den Jahreswechsel und der Namenspatron war immer mit von der Partie. Dabei hat er relativ wenig dazu beigetragen, außer dass er am 31. Dezember 335 starb. Sein Todestag wird als Gedenktag in der römisch-katholischen Kirche gefeiert, daraus hat sich „Silvester“ als Name für den letzten Tag des alten Jahres eingebürgert. Aber was wird er jetzt sagen? Nach all den Jahrhunderten, in denen man singend, tanzend, trinkend, liegend, rülpsend, torkelnd und knallkörperwerfend an ihn dachte, folgt nun die Ernüchterung. Man sitzt, spaziert, kocht und isst, dann geht es weiter … man sitzt, spaziert, kocht und isst. Es steht zu befürchten, dass Silvester I. sein Patronat kündigt: „Macht was ihr wollt, aber Silvester ist das nicht!“ Was werden wir dann tun? In aller Kürze muss nach einem neuen Schirmherrn gefahndet werden.

Auf der Einladung steht dann nicht mehr „Silvesterparty“, sondern „Melanie-Kaffee-kränzchen“ oder „Mau Mau Melanie-Mitternacht“. Die heilige Melanie hat ebenfalls am 31. Dezember ihren Todes- und Gedenktag. Sie war eine sozial engagierte Frau, nutzte ihr Vermögen, um den Armen zu helfen. Es ist überliefert, dass sie eine Großzahl ihrer Sklaven frei ließ und außerdem mittellosen Rompilgern ihre Räume zur Übernachtung anbot. Aber auf der Einladung könnte auch stehen „Flippige Floriansfeier“ oder „Fete Florian“. In dem Fall wäre Florian von Lorch der Namensgeber, ein Offizier der römischen Armee, der einer Legende nach 40 Christen zur Hilfe eilte, als sie vom römischen Kaiser verfolgt wurden. Er war verantwortlich für die Feuerbekämpfung und gilt deshalb als Schutzpatron vieler Feuerwehren. Eigentlich ein geeigneter Kandidat, gerade in den hiesigen feuerwerks-verliebten Gefilden. Schade nur, dass sein Todestag der 4. Mai ist.

Offensichtlich sind Alternativen vorhanden, andererseits wäre es doch schön, mit Silvester die gute alte Tradition fortzuführen. Man hat sich doch so an den Namen gewöhnt und verbindet damit viele Erinnerungen. Aber was müsste man tun, um den Zorn des Silvesters zu besänftigen? Es empfiehlt sich bestimmte Handlungen der sonst üblichen ausschweifenden Partys nachzuspielen. Kurz vor Mitternacht schieben Sie bitte „the final Countdown“ der schwedischen Hard-Rock Band Europe in die Playlist, richten alle Lampen in die Mitte des Raums, holen den Rest der Familie, tanzen und springen und bewundern die an den Wänden tanzenden Schatten. Wer nun mit breiter Brust verkündet, dass ihm das zu albern sei, dem sei gesagt: Silvester I. gerät gerade dann in Verzückung, wenn das all zu vernünftige Denken mit ein paar Gläsern Sekt herabgespült wird. Sacrificum intellectus, das Opfer des Verstandes.