B. Flimm
Das Streiflicht
Eine Kolumne von Bastian Flimm
Das Streiflicht
13.1.2021
Es gab Zeiten in denen es ganz normal war, sich in sehr unterschiedlichen Disziplinen zu üben. Der Engländer Everard Digby beispielsweise war Theologe, Physiker und begeisterter Schwimmer. Er veröffentlichte im Jahr 1587 das Buch „De arte natandi“, welches für ungefähr 300 Jahre das Standardwerk zum Thema Schwimmen werden sollte. Es wurde vielfach übersetzt, bot neben vielen theoretischen Fragen, u.a. zum Thema Auftrieb, auch praktische Tipps, beispielsweise was zu beachten war, wenn man in Flüssen schwimmen wollte. Bemerkenswert ist, dass das Buch mit 43 Illustrationen ausgestattet ist, welche die Vielzahl der verschiedenen Schwimmstile auf eine sehr anschauliche Weise darstellt. So ganz nebenbei hat Everard Digby eine Prise Humor miteinfließen lassen, denn eine der Abbildungen zeigt den Schwimmer in Rückenlage während er nebenbei seine Fußnägel schneidet.
Ob die Handballer auf dem Weg nach Ägypten solch einen Klassiker der Sportliteratur in ihre Koffer packten, ist ungewiss. Mit oder ohne Buch beginnt heute die WM der Männer und der Deutsche Handballbund ist selbstverständlich vertreten, allerdings nur mit einer Rumpfmannschaft, denn es haben einige Spieler „aus familiären Gründen“ abgesagt. Der Nationaltorwart Andreas Wolff kritisierte die Absagen und verwies darauf, dass in anderen Teams ebenfalls zahlreiche Familienväter vertreten sind, die trotzdem teilnehmen. Anscheinend könnten Spieler anderer Nationen, so Wolff, ihre Abwesenheit besser organisieren. Das erwähnte Buch „De arte natandi“ verrät relativ wenig darüber wie man seine Abwesenheit organisiert, aber immerhin gibt es Tipps wie man abtaucht. Vielleicht sind es die daheim gebliebenen Spieler, die das genannte Buch gerade in den Händen halten. Sie finden wohlmöglich Gefallen an der Idee des Abtauchens oder verspüren den Drang, eine andere Sportart auszuprobieren. Oder sie wollen einfach etwas lesen, was sie zum Schmunzeln bringt.
Humor hat in England bekanntlich eine lange Tradition. Außerdem fällt auf, dass in England kaum Handball gespielt wird. Auch ist keine Mannschaft der Britischen Inseln bei der WM in Ägypten vertreten. Warum schaffte es der Handballsport nie auf die Insel? Schon in der Antike spielte man fleißig einen den Handball stark verwandten Sport, nämlich Harpastum, welches übersetzt bedeutet „Übungen mit dem kleinen Ball“. Der Sport soll eine Mischung aus Handball und Rugby gewesen sein, und damit wären wir dem Rätsel auf der Spur: das in England beliebte Rugby ist in Wahrheit nur eine verkappte Inselvariante des kontinentalen Handballs. Könnte man nicht diese Sportarten wieder zusammenführen, so dass in ganz Europa Harpastum gespielt wird? Das wäre ein erheblicher Dienst an der Völkerverständigung und könnte sogar das Vereinigte Königreich zurück in die EU locken. Ludi incipiant, die Spiele mögen beginnen.
hier muß ich in ganz berlinischer Art melden: Bei diesem Streiflicht über Handball, Schwimmen, Rugby gibt es nix, aber auch nix zu meckern. Wie kommt der Autor nur immer wieder auf so exquisite Quellen wie „De arte natandi“ oder auf das „Harpastum“?
Claus M.