B. Flimm
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eine Kolumne von Bastian Flimm
- Februar 2021
Das Gewicht einer Schneeflocke, die Friseure und was sich sonst noch zusammenbraut
In der Öffnungsdiskussion tritt folgender Beruf unerwartet als Zünglein an der Waage in Erscheinung: das Friseurhandwerk. Die Friseurinnen selber – hiermit sind alle den Beruf ausübenden Geschlechter gemeint– hätten wohl nie gedacht, dass ausgerechnet politische Schwergewichte wie Heimatminister Seehofer oder Kanzlerin Merkel sich stark für die Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit machen. Ist es anzunehmen, dass die Politiker rein egozentrisch motiviert, nur ihre eigene Haarpracht ins alte Gardemaß zurechtstutzen wollen? Das ist unwahrscheinlich, die Haarmenge ist bei Politikern oft – wie bei Minister Seehofer – über ihren Zenit hinaus eher rückläufig veranlagt. Wenn kein persönlicher Handlungsdruck besteht, aus welchem Grund möchte man die Friseure möglichst rasch vor die Spiegel zitieren?
Schon seit tausenden von Jahren bilden das Zentrum der politischen Macht und der Berufsstand der Friseurinnen eine heimliche Allianz. Man denke nur an die ägyptische Pharaonin Hatschepsut, die zwar mächtiger als Kleopatra gewesen sein soll, aber dafür gnadenlos abhängig. Nicht nur kleidete sie sich wie ein Mann, sondern trug zudem noch eine spezielle Perücke, eine mit einem Bart. Noch heute absolviert man in Österreich eine Lehre zur Friseurin und Perückenmacherin. Übrigens darf man in Österreich bereits wieder ganz offiziell zur Friseurin gehen, in Deutschland muss dies in dunklen Nebengassen heimlich verabredet werden. Daraufhin verschwindet man in leerstehenden Wohnungen, wo eine Friseurin mit schlechtem Gewissen, aber gut gefülltem Portemonnaie, dem Haupthaar zum freien Fall verhilft. All jene Mattengesichter, die von herabschwebenden Haarlocken träumen, dürfen in der Zwischenzeit den Schneeflocken beim herabrieseln zuschauen.
Der Vergleich hinkt, aber auch nicht. Schneidet man eine durchschnittliche Haarlocke mit ca. 50 Härchen von jeweils 3,5 cm Länge ab, erhält man ein Gewicht von ca. 4 Milligramm. Eine durchschnittliche Schneeflocke wiegt ebenfalls 4 Milligramm, welches bedeutet, dass die Geschwindigkeit in Richtung Erde dieser beiden Partikel gleichschnell sein dürfte. Es wäre also zu empfehlen, wenn jene den Haarschnitt Herbeisehnenden nun diese Tage nützten, um den Lockdownblues mit einer Haarlocke/Schneeflocke-Meditation zu begegnen. Ganz nach dem Motto: das Schlimmste ist, wenn einem nichts mehr einfällt. Und warum fällt der Politik jetzt ein, dass Friseure ziemlich nah an systemrelevant sind? Es hat mit der Macht-verschiebung zu tun. Zunehmend werden die Fransenfrisuren und Vorhangponys als brave und coronatreue Bürger wahrgenommen, immerhin sind dies die ehrlichen Häute, die eben nicht heimlich zur Friseurin schleichen. Viel schlimmer noch: jene frisch rasierten, haarmodisch-auf-dem-Zenit-Fußballer kommen ins Taumeln, denn wer hat sie frisiert? Kaum ist jeder Fußballer mit einer Friseurin verheiratet. Und wenn die Fußballer nicht mehr als Vorbilder taugen, und nun die unsportlichen Hippies deren Platz nehmen müssen, dann kommen wir in solch verkehrte Verhältnisse, die kaum noch zu ertragen sind. Der politische Zustand, der sich zusammenbraut, lässt sich richtigerweise wie folgt beschreiben, und da sind sich alle Experten einig: unfrisiert.
„Haarlocke – Schneeflocke – Meditation“ gefällt mir.
Da ließe sich eine eigene Kolumenlinie aufbauen.
Herzliche Grüße
stoikus
Hut ab, die Text-Frisur paßt wie geschnitten.
Claus M.