B. Flimm
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eine Kolumne von Bastian Flimm
’17. Februar 2021
Lola Montez und ein paar Gedanken zum Thema Vernunft
Wenn man sich Tage lang immer nur vernünftig verhält, beschleicht einem irgendwann das Gefühl, etwas zu verpassen. Solch eine Gefahr erhöht sich zunehmend in der aktuellen Situation. Wie lässt sich heute noch Unvernunft zum Ausdruck bringen, außer auf einer Bratpfanne den nächstbesten, verschneiten Hügel hinab zu donnern? Zum Glück liefert uns die Geschichte wichtige Vordenker in diesem Sinne, also Menschen die sich im Wechselspiel von Vernunft und Unvernunft übten. Da darf König Ludwig I. von Bayern nicht unerwähnt bleiben. Der König soll auf die vernünftigen Ratschläge seines Erzbischofs geantwortet haben: „Bleib du bei deiner Stola, ich bleib bei meiner Lola.“ Zu dieser Zeit war der König in die irische Tänzerin Lola Montez verliebt, die auf der Durchreise eine Pause in München einlegte und ihre spanischen Tänze feilbot.
Sie wurde vom König reich beschenkt, erhielt ein Palais in bester Wohnlage, wurde in den Grafenstand erhoben und erhielt ein großzügiges monatliches Salär. Rückblickend ist kaum zu verstehen, warum sie den Münchenern nicht schmeckte. Weil sie den Mut hatte auf offener Straße zu rauchen, wurde bald das öffentliche Rauchverbot aufgehoben; jeder rauchende Münchner profitiert noch heute davon. Für den Fall, dass feine Herren sie auf der Straße nicht grüßten, zückte sie die Peitsche – zugegeben eine brutale Art sich Respekt zu verschaffen, aber als Vorkämpferin des Feminismus kann man schon mal zu drastischen Maßnahmen greifen. Als das Stelldichein zur Staatskrise mutierte, der König sogar abdanken musste, floh sie in die Schweiz, dann nach Paris und schließlich in die USA. Dort erfand sie sich neu und feierte Erfolge als Musicaldarstellerin. Sie spielte freilich sich selbst, in dem Stück „Lola Montez in Bavaria“.
Heute wäre sie 200 Jahre alt geworden. Kaum zu glauben, aber ihr runder Geburtstag fällt auf einen Aschermittwoch, ein eher nüchterner Tag, der den Beginn der Fastenzeit einläutet. Aber wie soll man den Aschermittwoch feiern, wenn man sich bereits Monate lang der Entsagung hingibt? Grundsätzlich gibt es zwei Wege. Mit der Lola-Methode stellen Sie althergebrachte Verhaltensweisen auf den Kopf und skizzieren nebenbei neue Gesellschaftsbilder. Selbst wenn Sie im hohen Alter Buße tun, werden Sie erst Jahrhunderte später rehabilitiert, denn es braucht Zeit bis die Unvernunft von damals als neue Vernunft verstanden wird. Viel passender für den komatösen Februar 2021 erscheint die Ludwig’sche Faustregel. Sie beweisen Jahrzehnte lang ein großes Maß an Sparsamkeit und Fleiß, wenn Sie auf den letzten Metern Kopf und Kragen für ein erotisches wie launisches Talent riskieren, fällt das kaum ins Gewicht. Mit Ludwig dürften die nächsten Monate zu überbrücken sein; die Lola-Methode ruht noch verborgen unter den Schneedecken und darf frühestens zum Ende der Fastenzeit hin, im Lichte des Osterfeuers, wachgeküsst werden.
mein erster Eindruck: sehr flott, humorvoll und mühelos geschrieben, vor allem der witzige Twist, der Schwung besonders in den letzten Sätzen, denn einiges von Lola Montez ist bekannt. Wenn der König wirklich also so sparsam galt, könnte das zuvor als Kontrast erwähnt werden. Dann ist die Erlösung im komatösen Februar ein herrlich starkes Bild!
Heidi