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B. Flimm

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Eine Kolumne von Bastian Flimm

Elefanten und eine Heldengeschichte liefern Anregungen für eine bedrohte Volkspartei

4. Juni 2021

Vor 2000 Jahren gehörte die Heldengeschichte des Gilgamesch zum Kanon der klassischen Bildung. Die Jugendlichen durften und mussten das Epos über den Ausnahmekönig lesen, der nicht nur eine literarische sondern auch eine historische Figur gewesen war. Im höheren Alter regierte Gilgamesch souverän die Stadt Uruk in der Nähe des Flusses Euphrats, aber als Jüngling soll er ein Draufgänger gewesen sein, der sich nur vergnügte und seine Macht missbrauchte. Zur Strafe schickten die Götter ihm Enkidu, einen kräftigen und in der Wildnis aufgewachsenen Krieger. Als Enkidu die Stadt betrat und Gilgamesch herausforderte, jubelte das Volk. Im Ringkampf stellte sich jedoch heraus, dass weder der eine noch der andere gewinnen konnte. Sie waren sich ebenbürtig und so kam es, dass sie sich anfreundeten. Die Freundschaft zwischen den Beiden stellt ein zentrales Motiv der sich fortspinnenden Handlung dar.

Die 15 Elefanten, die gerade im Südwesten Chinas von einer Stadt zur nächsten ziehen, sind gewiss auf der Suche nach ebenbürtigen Kampfgelegenheiten. Das Leittier soll relativ unerfahren sein und es wird vermutet, dass es sich verirrt hat. Viel wahrscheinlicher ist aber, dass der jugendliche Leichtsinn das Tier antreibt. Immerhin hat die Herde schon 500 km zurück gelegt und bewegt sich unerschrocken auf die Großstadt Kumming zu. Eine Einsatzgruppe aus 360 Helfern, 76 Fahrzeugen und 9 Drohnen verfolgt die Herde und versucht sie aufzuhalten. Wie die Herde es schaffte, ihren heimischen Nationalpark zu verlassen, ist nicht ganz klar. Und wer kümmert sich jetzt um die verlassenen Sträucher und Bäume? Dort warten Blätter, Zweige und Früchte darauf, vom nächstbesten Rüssel verschlungen zu werden.

Die Angst vor dem Verschlungenwerden greift um sich. So liest man von der Gefahr, dass die CDU von der AfD verschlungen wird. Im Hinblick auf die bevorstehende Wahl in Sachsen-Anhalt scheint sich die Lage zuzuspitzen. In heiß geführten Interviews wird Armin Laschet geprüft, ob er die „Brandmauer“ gegenüber der AfD ausreichend gesichert hätte. Zur unpassenden Zeit hat die Werteunion Max Otte zum neuen Vorsitzenden gewählt. Und obwohl die Werteunion nicht formell mit der CDU verbandelt ist, sind doch viele von ihnen auch CDU-Mitglieder. Da Max Otte sich nicht ausreichend von der AfD abgrenzt, ist die CDU-Hauptstadt nun von einer wilden Elefantenherde bedroht. In dieser vermaledeiten Situation: was hätte Gilgamesch da getan? Der König segelte sogar bis zum Ende der Welt, um die Wahrheit über die Unsterblichkeit zu erfahren. Allerdings war es ihm nicht vergönnt, dieses Wissen zu erlangen. An Stelle dessen ließ er die berühmte Stadtmauer von Uruk erbauen. Der Vorteil von Mauern ist, dass selbst Elefanten dort zum Halten kommen, egal ob sie jugendlich rebellisch oder altersweise und grau sind. Nach der Wahl in Sachsen-Anhalt sind wir alle etwas weiser. Und wer sich weniger für Weisheit interessiert, kann Freude am Ringkampf mit einem ebenbürtigen Gegner haben. Wenn auch keine Freundschaft zustande kommt, so lässt sich vielleicht das Motiv einer forstpinnenden Handlung finden.