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Eine Kolumne von Bastian Flimm

9. Mai 2022

 

Auf den Schultern eines Altkanzlers sitzen ein Affe und ein Nusshändler

 

In seinem Buch „Der tätowierte Hund“ erzählt Paul Maar die Geschichte eines Nusshändlers, der einen Sack voll Nüsse durch einen Urwald transportieren will. Trotz aller Warnungen, dass es dort zwei in der Diebeskunst geübte Affen gibt, macht er sich auf den Weg. Es dauert nicht lange, da macht er mit ihnen Bekanntschaft. Die Affen zeigen zunächst kein Interesse an den Nüssen und geben ihm stattdessen ein Rätsel auf: „In einem Fass aus Holz, da liegt ein feines Ei, und wer es haben möcht, der schlägt das Fass entzwei“. Der Nusshändler ist ganz begeistert und will sich das Rätsel aufschreiben. Da schnappen sich die Affen die Beute und verschwinden im Urwald. Der Nusshändler läuft schimpfend auf und ab: „Oh ich dumme Nuss! Wenn ihnen nur täglich eine Nuss auf den dicken Kopf fiele und ein Pfund Nussschalen hinterher!“

Aber ganz herzlos sind die beiden Affen nicht: immerhin geben sie ihm die Lösung des Rätsels: „Es ist die Haselnuss. Das hölzerne Fass ist die Schale und darin liegt der süße Kern von der Form eines Eies“. Während es im politischen Diskurs ebenfalls eine Vielzahl von Rätseln gibt, so bleiben sie meist ungelöst. Ein Beispiel ist die Forderung von CSU-Landesgruppenchef Dobrindt, das Portrait von Gerhard Schröder im Bundeskanzleramt abzuhängen. „Gerhard Schröder ist kein deutscher Interessenvertreter, sondern er ist russischer Söldner“, sagte Dobrindt (welt.de berichtete). Zur Erläuterung fügte er hinzu: „Ich glaube nicht, dass es würdig ist, dass neben erfolgreichen Kanzlern und Kanzlerin, Gerhard Schröder, so wie er sich aktuell der Weltöffentlichkeit zeigt, noch präsentiert werden kann.“ Gerhard Schröder hatte sich zuvor in einem Interview mit der New York Times weder von Putin distanziert noch für seine Russland-Haltung entschuldigt. Dafür betonte er seine Freundschaft mit Putin und befand, dass Deutschland weiterhin Rohstoffe aus Russland benötigt.

Es mag sein, dass auf Schröders Schulter seit Bundeskanzlertagen ein Äffchen sitzt. Von hier aus lässt sich bestens das russische Rohstoffei in die leeren Holzfässer der deutschen Industrie lancieren. Wer das Fass entzwei schlägt, darf die Beute verteilen. Im Verteilungskampf geübt sind vor allem Politiker, auch Dobrindt, der Schaden vom deutschen Volk abwenden will. Stellt nun seine Forderung einen wertvollen Beitrag in der demokratischen Meinungsbildung dar? Auf den ersten Blick lässt sich in seinen Worten kaum eine gehaltvolle Nuss finden. Er handelt eher mit Nussschalen, die sich vom Wind in alle Richtungen treiben lassen. Doch ein zweiter Blick entlarvt, dass eine Diskussion um die Kanzlergalerie gerade recht kommt. Es muss ja gespart werden im ganzen Land, warum also nicht auf die Galerie verzichten? Mit einem Affenzahn ließen sich die Portraits abhängen und kostengünstig im Bayerischen Wald unterbringen. Zieht eines Tages dort ein Nusshändler vorbei, hätte er eine Ersatzbeute, die er im Notfall diebischen Affen in die Hände drücken könnte.