Kolumnen
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Eine Kolumne von Bastian Flimm
27. Juni 2022
Der vom Tankrabatt gebeutelte Steuerzahler kann Trost in einer 230 Jahre alten Satire finden
Im Briefroman „Die drei Schwestern“ von Jane Austen aus dem Jahr 1792 heißt es: „Meine liebe Fanny, ich bin das glücklichste Geschöpf unter der Sonne, denn Mr. Watts hat mir heute einen Heiratsantrag gemacht.“ Die drei jungen Schwestern ringen miteinander, wer als Erste unter die Haube kommt. Die Autorin des Briefes, Mary, fährt fort: „Er ist schon ziemlich alt, etwa zweiunddreißig und sieht so garstig aus, dass ich ihn kaum anschauen mag. Er ist unausstehlich und für mich der abscheulichste Mensch auf der Welt. Er besitzt ein großes Vermögen und wird mich für den Fall seines Todes gut versorgen; aber ach, er ist kerngesund. Kurzum, ich weiß nicht, wie ich mich verhalten soll. Gebe ich ihm einen Korb, will er, wie er mir andeutete, Sophia seine Hand antragen und wird, wenn auch sie ihn nicht mag, um Georgiana werben, und der Gedanke, dass eine von ihnen vor mir heiratet, ist mir unerträglich“.
Mit ihren Büchern schuf Jane Austen eine eigene Gattung des britischen Humors. Zur Untertreibung und Ironie fügte sie etwas Spott und eine Messerspitze Mitgefühl hinzu. Schon Austen wusste: zu viel Mitgefühl wird nicht honoriert. Das gilt auch in der Politik. Wer ist schon bereit, Mitgefühl für den Bundesfinanzminister Christian Lindner zu empfinden, nur weil er vor dem Tod seines Tankrabatts steht? Mit Steuermindereinnahmen von 3,15 Mrd. Euro wollte er die Tankstellenpreise senken: Diesel um 17 und Superbenzin um 35 ct je Liter. Jedoch bleiben die Preise konstant hoch. Entweder haben die Ölkonzerne zusätzliche Gewinne eingestrichen oder die zeitgleich steigenden Kosten beim Rohöl haben die Steuersenkung auf Null reduziert. In beiden Fällen bleibt ein fader Beigeschmack. Jedoch bietet Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck Hilfe an. Er sagte: „Wenn eine nicht so gute Idee schlecht läuft, muss man trotzdem helfen“. Habeck plant eine Verschärfung des Kartellrechts, um die unrechtmäßigen Gewinne der Ölkonzerne zurück zu holen.
Das Ausmaß der Hilfsbereitschaft in der Regierung ist beeindruckend. Man könnte sogar sagen: besorgniserregend. Nach sechs Monaten im Amt, stellt sich die Frage: wie geht es eigentlich der rot-grün-gelben Staatsmacht? Kerngesund? Nur Spötter werden behaupten, dass die glücklichen Geschöpfe kaum heiratsfähig daherkommen und vor allem sich selber versorgt wissen wollen. Noch im März stimmte Habeck für den Tankrabatt, findet die Idee aber plötzlich nicht mehr so gut. Wie vor 230 Jahren gönnt die eine Schwester der Anderen keinen Cent. Und der Steuerzahler? Der weiß ja kaum noch wie er sich verhalten soll. Will er nicht zum Spötter werden, muss er sich wohl über den konstant hohen Unterhaltungswert der Ampeldarbietung freuen. Allerdings gibt es da noch einen Preis zu bezahlen: für 3,15 Mrd. Euro ist die Satire nur eine Messerspitze zu teuer. Für weit weniger Geld kann man zu einem guten Buch von Jane Austen greifen.